Eigentlich hat er einen angesehenen Beruf: Rechtsanwalt Thomas Kutschaty entschied sich trotzdem, in die Politik zu gehen. Heute wird er als neuer SPD-Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis 65 vereidigt. Und er ist davon überzeugt, den richtigen beruflichen Weg eingeschlagen zu haben: „Ich will etwas bewegen können für unsere Gesellschaft."
Trotzdem wird das Schild an seiner Rechtsanwaltskanzlei nicht abgeschraubt: „Ich arbeite mit einem Partner zusammen, wir haben personell umstrukturiert und es wird die Kanzlei weiterhin geben." Das ist auch nicht unwichtig, denn anders als andere Länder hat NRW das Rentensystem für seine Landtagsabgeordneten total privatisiert. Und wer nicht mehr wiedergewählt wird, bekommt auch nur noch drei Monate Übergangsgeld – und auch nur, wenn er wirklich bedürftig ist.
Das alles lernt man in einem Gespräch mit dem Neu-Abgeordneten Kutschaty. „Ich interessiere mich schon aus beruflichen Gründen vor allem für Justiz und Inneres. Außerdem ist die Schulpolitik für mich sehr wichtig." Aber kann man als Oppositions-Politiker überhaupt etwas bewirken? „Wir müssen absolut wachsam sein, damit die CDU nicht die sozialen Errungenschaften unseres Landes einfach wegrasiert", so Kutschaty.
Dafür ist er auch bereit auf die Straße zu gehen. „In Sachen Feinstaub habe ich in Vogelheim schon mitdemonstriert", berichtet er – sein erster Termin als SPD-Abgeordneter nach der Wahl. Ich bin bereits von besorgten Eltern, deren Kinder die Gesamtschulen Borbeck und Nord besuchen, angesprochen worden", erzählt der Schönebecker. Und der Erhalt gerade dieser Schulform liege ihm sehr am Herzen.
Weiterhin bekommt er viel Post und persönliche Ansprache von Bergleuten, die sich vor den Maßnahmen der neuen Regierung fürchten. „Noch ist nicht klar, wie die Koalition agieren wird, weil CDU und FDP unterschiedliche Vorstellungen haben, aber die Sorge ist sehr groß", weiß Kutschaty.
„Übrigens gibt es einige junge Leute, die im Bergbau arbeiten, und viele von ihnen kommen durchaus aus Essen."
Nur ein CDU-Mann aus Essen sitzt noch im Landtag – da ruht viel Verantwortung auf den Schultern von Manfred Kuhmichel aus Burgaltendorf. „Wir hoffen natürlich, dass die CDU-Abgeordneten die Verantwortung fürs ganze Land tragen. Aber wir SPDIer aus dem Ruhrgebiet wissen auch um unsere Aufgabe als Stimme für das Revier."
Zwei Kinder hat der 36-jährige Thomas Kutschaty, dessen erstes Hobby die Familie ist. Meine Frau und ich gehen beide arbeiten, also teilen wir uns auch die Erziehungs-Aufgaben. Der Tag fängt also oft mit Kinder wecken, Pausenbrot schmie¬ren und Schultornister packen an." Fußball spielen mit den Jungs im Garten oder eine ge¬meinsame Fahrradtour sind die sportlichen Betätigungen, die Kutschaty bevorzugt. Und wenn dann noch Zeit bleibt, interessiert er sich für Architektur – hi¬storische und moderne. „Baudenkmäler sehe ich mir wirklich gern an", schmunzelt er, denn er weiß, dass ihm dafür in den nächsten Wochen wenig Zeit bleiben wird. Warum? Es steht wieder Wahlkampf vor der Tür! „Wir haben Berlin noch nicht abgeschrieben", gibt er sich kämpferisch. „Das erste Gespräch zur Wahlkampf-Vorbe¬reitung haben wir bereits geführt", kann er berichten und er geht davon aus, dass sich der Wahlkreis Mülheim l / Borbeck wieder für Anton „Toni" Schaaf – dem einzigen Arbeiter unter den Bundestagsabgeordneten – als Kandidaten entscheiden wird.
„Ich bin seit 18 Jahren in der Politik dabei. Ich will versuchen, etwas im Sinne einer sozialen Gesellschaft zu bewegen", fasst Kutschaty sein Politik-Verständnis zusammen. „Manchmal wird man auch angepöbelt", weiß er spätestens seit den Wahlkampf-Wochen. Dass es nicht immer angenehm ist, als Politiker durch die Welt zu gehen, nimmt er aber für die Möglichkeit, diese ein Stück weit mitzugestalten, gern in Kauf. Silke Heidenblut