Die ruhige Art des scheidenden Chefs habe der Partei gut getan. Jetzt liegen die Hoffungen auf Hannelore Kraft als Fraktions- und Parteichefin. War es vorweihnachtliches Desinteresse oder sozialdemokratische Abgebrühtheit? Während der spontan angekündigte Rücktritt von SPD-Landesparteichef Jochen Dieckmann am Montagabend in Düsseldorf für Überraschung und Aufsehen gesorgt hatte, zeigte sich die Basis am gestrigen Tag danach ausweislich des Essener SPD-Geschäftsführers Peter Weckmann vergleichsweise gelassen: "Es gibt da keine Aufregung im Unterbezirk." Keine Anrufe, kaum Reaktionen – in welche Richtung auch immer. "Man wird da abwarten müssen, wie sich Hannelore Kraft äußert. Dann äußert sich vielleicht der ein oder andere Ortsverein."
Solidarität für die designierte Vorsitzende
Nun, Kraft hat gestern rasch die ihr zugewiesene Nachfolger-Rolle angenommen – und kann seitdem auch auf Essener Schützenhilfe setzen: "Wir haben mit 15 Unterbezirksvorsitzenden eine Erklärung aufgesetzt, die ihre Kandidatur unterstützt", so Essens SPD-Chef Dieter Hilser im NRZ-Gespräch. Dass mit Hannelore Kraft wohl bald Partei- und Fraktionsführung in einer Hand liegen, sieht er "als Chance und Risiko zugleich." Mit Blick auf die Landtagswahl 2010 sei es positiv, "dass sie nun das gesamte mediale Interesse auf sich konzentrieren kann." Riskant sei allein der lange Weg bis 2010, den Kraft nun früher antrete als bislang erwartet.
Denn "am Ende wäre ohnehin alles auf Hannelore Kraft hinausgelaufen", weiß Britta Altenkamp, Hilsers Kollegin aus der Landtagsfraktion. Sie war dabei, als Dieckmann am Montag im Präsidium seinen Rückzug aus der Parteispitze bekannt gab. "Ich bedaure das, weil wir uns auf einen anderen Zeitplan geeinigt hatten." Dennoch wollen weder Altenkamp noch Hilser den spontanen Rückzug als unfair bezeichnen. Altenkamp hat Verständnis, dass der ehemalige Minister – "er ist da ja nicht der erste" – noch einmal die berufliche Herausforderung außerhalb der Partei sucht.
"Dieckmann hinterlässt kein unbestelltes Feld", betont Altenkamp. Auch für Hilser war Dieckmann der richtige Parteivorsitzende, "weil er nach der Niederlage 2005 wieder ein Stück Ruhe in die Partei gebracht hat." Dass es nach der dramatischen Schlappe in der Landes-SPD "keine Flügelkämpfe und ähnliches gab, ist Dieckmann zu verdanken", schließt sich Thomas Kutschaty der Würdigung seiner Fraktionsgenossen an. Er hätte jedoch auch bis 2010 an der aus seiner Sicht bewährten Doppelspitze Dieckmann/Kraft festgehalten. "Wenn wir jetzt allerdings schon über die Landtagswahl sprechen, ist es vielleicht nicht schlecht, die Alternative zu Jürgen Rüttgers in einer Person zu bündeln."
Britta Altenkamp lenkt den Blick noch einmal auf die spontane Parteichef-Kandidatin: "Für Hannelore Kraft ist das auch schwierig. Schließlich braucht man für eine solche Spitzenkandidatur eigentlich eine gewisse Anlaufzeit." Andererseits kenne sie Kraft schon lange, "die ist immer am besten, wenn sie ins kalte Wasser geworfen wird".