Stichhaltige Gründe sucht man vergebens

Ein »demokratisches Armutszeugnis« nennt der Vorsitzende des Borbecker Bürger- und Verkehrsvereins (BBVV) Dr.Wolfgang Sykorra die Antwort, die das NRW-Justizministerium auf die BBVV-Eingabe in Sachen Amtsgericht Borbeck gegeben hat.In dem Schreiben aus Düsseldorf heißt es: »Sehr geehrter Herr Dr. Sykorra, ich bedanke mich für Ihr Schreiben vom 23. 11. 2006, das Frau Justizministerin Müller -Piepen-kötter mit Interesse zur Kenntnis genommen hat.

Mit Blick auf die derzeitige ergebnisoffene Prüfung möchte ich von einer Bewertung Ihrer Argumente an dieser Stelle absehen. Ich darf Ihnen jedoch versichern, dass diese im Rahmen der Gesamtprüfung angemessen gewürdigt werden.«

Offensichtlich handelt es sich bei dieser Antwort um einen ministeriumsintern inhaltlich abgestimmten Standardbrief. Denn eine bis auf die Anrede identische Antwort hat auch Rechtsanwalt und Notar Franz W. Wiesel erhalten, der sich im Auftrag der Borbecker Anwälte und Notare ebenfalls an das Justizministerium gewandt hatte.

Stellungnahmen von Ministerien zu Vorhaben, die sich im politischen Entscheidungsprozess befinden, sind im Allgemeinen vorsichtig formuliert.

Bei allem Verständnis für die auch hier gebotene politische Sorgfalt ist – so Wolfgang Sykorra – das Schreiben des Ministeriums dennoch auffallend: Es enthält nämlich überhaupt keine – nicht einmal eine kurze – Begründung für die Überprüfung der Existenzberechtigung des Borbecker Amtsgerichts.

Stichhaltige Gründe für eine eventuelle Aufgabe des Amtsgerichts Borbeck sind auch in der bisherigen öffentlichen Diskussion nicht genannt worden. Vielmehr sieht sich Justizministerin Müller-Piepenkötter zu Jahresbeginn einer wachsenden Front gesellschaftlich relevanter Gruppen gegenüber:

1) Richterrat und Personalrat sehen bei einer Aufgabe des Amtsgerichts Borbeck keine nennenswerten Personaleinsparmöglichkeiten.

2) Zum selben Ergebnis kommt die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi.

3) Borbecker Rechtsanwälte und Notare machen auf räumliche Schwierigkeiten bei einer Verlagerung aufmerksam und heben die Effizienz der Arbeit des Amtsgerichts hervor.

4) Ähnlich äußern sich die Anwälte auf Stadtebene.

5) Der Borbecker Bürger- und Verkehrsverein (BBVV) sieht einen Widerspruch zwischen dem Bemühen von NRW-Bauminister Oliver Wittke, die Infrastruktur Borbecks zu stärken, und der eventuellen Aufgabe des Amtsgerichts.

6) Diese Auffassung vertritt auch der Initiativkreis Centrum Borbeck (Cebo).

7) Parteien vor Ort SPD und Grüne fordern aus Gründen einer bürgernahen Justiz die Erhaltung des Amtsgerichts.

8) Der Rat der Stadt setzt sich parteiübergreifend für die Erhaltung des Amtsgerichts ein, weil es ein wichtiger Standortfaktor für Borbeck ist.

10) Als Mitglied des Landtags fordert Thomas Kutschaty (SPD) einen Bestandsschutz und verweist dazu auf den Eingemeindungsvertrag zwischen der damaligen selbstständigen Gemeinde Borbeck und der Stadt Essen.

11) Als stellvertretender Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion bittet vor dem Hintergrund der vielfältigen Argumente der Essener Landtagsabgeordnete Manfred Kuhmichel die Justizministerin, von ihren Plänen Abstand zu nehmen. Soweit die Bilanz Sykorras.