Vorsicht ist bekanntermaßen die Mutter der Porzellankiste. Das weiß auch der Vorstand des Bürger- und Verkehrsvereins Dellwig/Gerschede. Dort begann vor 50 Jahren der Kampf gegen die Luftverschmutzung im Ruhrgebiet. Die Hochöfen sind längst erloschen, doch jetzt sehen die Aktiven wieder Grund, Alarm zu schlagen.
Denn was sich da im Stadthafen tut, ist dem Verkehrsvereinsvorsitzenden Klaus Pfahl und Apotheker Hans-Jochen Girke nicht geheuer: Das Recyclingunternehmen Harmuth will im Schatten der Alu-Hütte ein Heizkraftwerk bauen. »Energetische Verwertungsanlage« heißt das im Bürokratendeutsch hübsch umständlich, ergibt aber immerhin die niedliche Abkürzung »EVA«.
Doch ebendiese Eva hat für Pfahl und Girke alles andere als ein hübsches Antlitz. Denn als Brennstoff sollen der Anlage Abfälle aus der direkt nebenan arbeitenden Recyclinganlage des Unternehmens dienen, das derzeit von Mülheim zum Stadthafen umzieht. Geplante Jahreskapazität: 27000 Tonnen. Bauschutt, Gewerbeabfälle, Altautos und Papier will man am Stadthafen verwerten. Was übrigbleibt, soll »EVA« schlucken.
Droht da etwa eine Giftmüllverbrennung durch die Hintertür? – So drastisch will der Borbecker SPD-Landtagsabgeordnete Thomas Kutschaty das nicht formulieren. Aber auch ihm behagen die Pläne der Mülheimer ganz und gar nicht. Er sagt: »Die Verbrennungstechnik der Anlage ist veraltet. Wenn man bedenkt, dass dort auch Dämm-Material aus Abbrüchen verfeuert wird, muss man davon ausgehen, dass hochgiftige Dioxine und Furane entstehen.« Insofern sei er froh, dass sich nun auch der Bürgerverein der Sache annehme.
Dessen Vorsitzender hat in Erfahrung gebracht, dass »EVA« bereits eine Zeitlang in Süddeutschland in Betrieb war. Von einem Politiker vor Ort habe er erfahren, dass es Bürgerklagen über üble Gerüche gegeben hat. Pfahl: »Das Ganze passt auch von der Infrastruktur nicht hierhin.«
Derweil läuft das Genehmigungsverfahren für »EVA« beim Regierungspräsidenten in Düsseldorf. Dazu gehört die öffentliche Auslage der Plan-Unterlagen. Wer mag, kann sich durch drei dicke Aktenordner im Borbecker Bürgeramt kämpfen. Darin liest man: »Als Ergebnis der Umweltver-träglichkeitsuntersuchung kann festgehalten werden, das durch die Errichtung und den Betrieb der geplanten EVA insbesondere in Bezug auf Lärm und Luftschadstoffe aus gutachterlicher Sicht keine erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu erwarten sind.«
Dennoch: Der Bürgerverein ruft zum Widerspruch gegen EVA auf. Einen Vordruck kann man unter www.bvv-dellwig.de downloaden. Begründung: »Störfälle sind nicht auszuschließen. Durch den damit verbundenen Anstieg der Schadstoffe in der Luft steigt auch das Risiko, an Krebs zu erkranken.«
Vorsicht ist eben die Mutter der Porzellankiste.