V-Leute in Neonazi-Szene enttarnt

Von Johannes Nitschmann
Dies haben Beamte des NRW-Verfassungsschutzes nach Informationen der Süddeutschen Zeitung am Dienstag in dem streng vertraulich tagenden Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) des Düsseldorfer Landtags eingeräumt.

Nach Darstellung der Verfassungsschützer sind telefonische Verbindungsnachweise eines V-Mann-Führers in die Strafermittlungsakten gegen einen kriminellen Spitzel gelangt. Darunter waren offenbar auch Telefonnummern weiterer V-Leute in der rechtsextremen Szene . In einige der Akten soll ein Rechtsanwalt, der mehrere Mandanten aus der Neonazi-Szene vertritt, Einsicht erhalten haben. Sicherheitsexperten äußerten den Verdacht, dass auf diesem Wege etliche V-Leute enttarnt worden sein könnten.

"Es gab die Befürchtung, dass es so gewesen sein kann. Es muss aber nicht so gewesen sein“, sagte am Freitag ein Behörden-Mitarbeiter der SZ. Presseberichte, dass bis zu zwölf V-Leute in der ostwestfälischen Neonazi-Szene aufgeflogen seien, wies der Sprecher des Landes-Innenministeriums, Wolfgang Beus, allerdings zurück: "Wir können das nicht bestätigen.“

NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) bestätigte, dass die Ermittler bei einem Mobilfunkanbieter "Verbindungsnachweise erfragt“ hätten. Die Ergebnisse dieser Abfrage seien "aber nicht in den Aktenteilen enthalten, in die Verteidiger Einblick gehabt hatten“.

Strafvereitelung und Geheimnisverrat

Seit Wochen wird der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen von der Affäre um einen kriminellen Spitzel erschüttert. Gegen einen leitenden V-Mann-Führer ermittelt die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft wegen Strafvereitelung und Geheimnisverrats. Der V-Mann-Führer steht im Verdacht, Strafermittlungen gegen den als Spitzel im rechtsradikalen Milieu agierenden Sebastian S. unterlaufen zu haben.

Der 27-jährige V-Mann, ein wegen Körperverletzung und Verstößen gegen das Waffengesetz vorbestrafter Gastwirt aus Lünen, sitzt seit dem 14. August wegen Verdachts des schwunghaften Kokainhandels in Untersuchungshaft. Vor seiner Festnahme hatte die Polizei das Handy von Sebastian S. abgehört. Dabei wurden auch Gespräche mit seinem V-Mann-Führer mitgeschnitten. Dieser soll den Spitzel vor Fahndungsmaßnahmen der Polizei gewarnt und ihn zur Nutzung einer abhörsicheren Telefonzelle gedrängt haben.

Die Führung des NRW-Verfassungsschutzes befürchtet offenbar, dass in den Strafakten von Sebastian S. umfangreiche Verbindungsdaten des V-Mann-Führers enthalten sind. Bei dem Führer sollen fünf bis sechs wichtige Spitzel in der ostwestfälischen Neonazi-Szene angebunden gewesen sein. Im Rahmen der Telefonüberwachung von Sebastian S. hatte die Polizei auch registriert, welche Nummern dessen V-Mann-Führer auf seinem Diensthandy anwählte.

Durch Pannen in der Zusammenarbeit zwischen Verfassungssungsschutz und Staatsanwaltschaft sei "ein schwerer Schaden“ entstanden, sagte der SPD-Rechtsexperte Thomas Kutschaty. In der V-Mann-Affäre gerät neben Innenminister Ingo Wolf (FDP) auch Justizministerin Müller-Piepenkötter in Bedrängnis. Beide Minister sollen kommenden Mittwoch auf Verlangen der Opposition im Innen- und Rechtsausschuss zu den heiklen Vorgängen Auskunft geben.

  • Quelle: Süddeutsche Zeitung