Von Wilfried Goebels KREFELD/DÜSSELDORF. Seit zwei Wochen ist "Ausbrecherkönig" Rahim Direkci (38) wie vom Erdboden verschwunden. Jetzt ermittelt die Justiz gegen vier Wärter der JVA Krefeld. Der Verdacht- Gefangenenbefreiung.
Für Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter reißen die schlechten Nachrichten nicht ab. Ein Untersuchungsausschuss im Landtag befasst sich mit dem Foltermord in Siegburg. Gestern stand die Ministerin im Justizausschuss Rede und Antwort zum "Fall Krefeld". Erst im September war der türkische Schwerverbrecher wegen erpresserischen Menschenraubes und versuchter räuberischer Erpressung mit Gaspistole und Messer zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Am 12. Oktober flüchtete Direkci während eines Umschlusses in eine andere Zelle.
"Wir haben keine klassischen Ausbruchspuren festgestellt", sagte Müller-Piepenkötter. Es gibt weder Aufnahmen der Knast-Kameras, noch Hinweise von Zeugen. Deckenverkleidungen in der Haftanstalt wurden entfernt. Mülltonnen entleert, Schränke geöffnet. Auch eine sofortige Durchsuchung der Wohnungen der vier Wächter brachte nichts.
Direkci war in einer besonders gesicherten "Stahlzelle" mit Mangan-Vergitterung inhaftiert. Laut Bericht der Ministerin war der Türke am 12. Oktober von 18 bis 20.30 Uhr in die Zelle eines Mithäftlings verlegt worden. Hier verliert sich die Spur des Täters. Dubios: Nach Aussage des Mithäftlings ist Direkci in dessen Zelle nie angekommen. Nachdem neun JVA-Bedienstete bis 0.30 Uhr erfolglos nach dem Flüchtling gesucht hatten, benachrichtigte die Haftanstalt die Polizei.
Der SPD-Justizexperte Thomas Kutschaty kritisierte, dass die Polizei zu spät eingeschaltet wurde. Bizarr- Per Fax aus einem deutschen Call-Center bot Direkci den Behörden handschriftlich einen krummen Handel an. Eine kürzere Haft von fünf Jahren und Abschiebung in die Türkei – dann werde er sich stellen. SPD-Justizexperte Frank Sichau hält das Fax für eine "Luftnummer". Direkci sei längst in der Türkei.
Der mit einem europäischen Haftbefehl gesuchte Ausbrecher ist aber kein Einzelfall. Seit 1997 sind in NRW 86 Häftlinge ausgebrochen die meisten wurden nach kurzer Zeit gefasst. Müller-Piepenkötter zieht erste Lehren aus dem Ausbruch und will die Kontrollen verschärfen. Außerdem dürfen nicht mehr mehrere Häftlinge gleichzeitig eine Nachbarzelle "besuchen". 2003 gab es einen Fall in Aachen, bei dem einem Häftling mit Hilfe eines Wärters die Flucht gelang. Der JVA-Bedienstete wurde zu drei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt.
Dass auch in Krefeld Wärter mit Nachschlüsseln Fluchthilfe leisteten, ist nicht bewiesen. "Es gibt lediglich einen Anfangsverdacht der Staatsanwaltschaft", betont Müller-Piepenkötter. Die vier JVA-Bediensteten in Krefeld haben sich krank gemeldet.
Grünen-Justizexpertin Monika Düker sieht deshalb noch "viele offene Fragen" Vor allem die genauen Umstände der Flucht seien rätselhaft. SPD-Experte Thomas Stotko will die Flucht politisch nutzen. "Es häufen sich die Vorfälle, die einen massiven Vertrauensverlust in NRW begründen." Robert Oth (FDP) drängt darauf, den Ball flach zu halten. "Es gibt keine Besorgnis erregende Zunahme von Ausbrüchen aus NRW-Haftanstalten."