Nach dem Foltermord bleiben Fragen offen

Von Martin Teigeler DÜSSELDORF. Der 11. November 2006 beschäftigt noch immer die Politiker in Nordrhein-Westfalen. Rund ein Jahr nach dem Foltermord in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Siegburg streiten Regierung und Opposition darüber, wie es zu der grausamen Tat in dem Gefängnis kommen konnte.

Auch die Konsequenzen und Reformnotwendigkeiten für den Strafvollzug im Land sind umstritten. Im kommenden Frühjahr wird der Foltermord-Untersuchungsausschuss des Landtags seinen Zwischenbericht zu der Siegburger Gewalttat vorlegen. Während das politische Nachspiel zu Siegburg noch andauert, hat die Justiz Anfang Oktober ihr Urteil gefällt.

Das Bonner Landgericht verhängte gegen die drei angeklagten jungen Männer im Alter von 18 bis 21 Jahren langjährige Haftstrafen wegen des Foltermordes. Die drei damaligen Siegburger Zellengenossen hatten in der Hauptverhandlung eingeräumt, am 11. November 2006 einen 20-jährigen Mithäftling über Stunden gequält, vergewaltigt und schließlich zum Selbstmord gezwungen zu haben.
"Der Extremfall Siegburg hat die politisch Verantwortlichen wachgerüttelt", sagt der Bonner Strafrechts-Professor Torsten Verrel. Seit dem Foltermord seien dringend notwendige Veränderungen im Jugendstrafvollzug eingeleitet worden. "Wichtig ist beispielsweise, die Mehrfachbelegungen von Zellen zu beenden", sagt Verrel. Dass wie im Fall Siegburg vier Häftlinge auf einer Zelle gemeinsam wohnen, ist seit dem Foltermord untersagt. Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) kündigt zum traurigen Jahrestag des Foltermords weitere Reformen im Strafvollzug an. "Ein ganzes Bündel von Maßnahmen ist in der Umsetzung", sagt die Ministerin.

So soll bis Ende 2007 das neue Jugendstrafvollzugsgesetz verabschiedet werden, das die Einzelunterbringung zur Nachtzeit, Wohngruppenvollzug, schulische und berufliche Bildung, die Förderung sozialer Kontakte sowie eine gezielte Vorbereitung auf die Entlassung vorsehe. Nach dem Foltermord habe sich der Strafvollzug in Nordrheinwestfalen grundlegend verändert, sagt Müller-Piepenkötter. Auch gebe es "deutlich mehr Personal". 330 Stellen seien neu geschaffen worden.

Die Opposition, die seit einem Jahr den Rücktritt der Ministerin fordert, hält dagegen. "Es hat sich wenig-getan im Strafvollzug", sagt der SPD-Landtagsabgeordnete Thomas Kutschaty. Der Rechtsanwalt sitzt im Foltermord-Untersuchungsausschuss und gilt als besonders kritischer Nachfrager bei den andauernden Zeugenvernehmungen. "Der NRW-Strafvollzug ist noch immer ein Verwahrvollzug", kritisiert Kutschaty.
Unter der Verantwortung der Ministerin habe sich der Personalmangel im Strafvollzug genauso wenig verbessert wie die chronische Überbelegung mit Häftlingen. Erst im März 2008 soll Müller-Piepenkötter vor dem Untersuchungsausschuss aussagen.

  • Quelle: Westfalenpost