Von Katrin Bach Während das Thema Jugendkriminalität im Forum der Volkshochschule mit Fachleuten diskutiert wurde, zeigte sich am späten Dienstagnachmittag nur einige Kilometer entfernt eine Jugendgewalt-Szenerie wie im Krimi. Die subjektive Angst vor gewaltbereiten Jugendlichen ist nicht erst seit dem jüngsten Vorfall gestiegen. Dennoch versucht Andrea Sandforth von der Jugendgerichtshilfe die Stimmung zu beruhigen: "Nur etwas über sechs Prozent der Mülheimer Jugendlichen wurden im Jahr 2007 straffällig. Doch gerade bei Körperverletzung, Raub und Sachbeschädigung gibt es seit Jahren steigende Tendenzen." Warum werden die Jugendlichen immer gewaltbereiter? Die SPD-Ratsfraktion versuchte die Frage abseits von Wahlkampfparolen zu beleuchten und lud zur Podiumsdiskussion.
Zunächst ein paar Zahlen aus der Statistik: Obwohl immer mehr Opfer ältere Menschen zu sein scheinen, geschehen die meisten Taten immer noch in der eigenen Altersklasse. Und von allen straffällig gewordenen Jugendlichen haben nur 13 % einen Migrationshintergrund. "Es sollte generell nicht Gegenstand der Diskussionen sein, ob Ausländer oder Deutsche eher straffällig werden. Denn dahinter stecken immer junge Menschen mit Schwierigkeiten", mahnt der Essener Jugendrichter Gerd Richter.
Doch wie soll man mit der erhöhten Gewalt umgehen? In der bundesweiten öffentlichen Diskussion kamen neben einer Strafmaßerhöhung auch Erziehungscamps zur Sprache. "Davon halte ich nichts", sagte der Landtagsabgeordnete und Rechtsanwalt Thomas Kutschaty. In der jetzigen Form habe sich das Jugendstrafrecht bewährt. Betont wird dort vor allem der Erziehungsaspekt: "Es gibt so viele verschiedene Auflagen, die nach Jugendstrafrecht erteilt werden können", erläutert Sandforth. Erwachsene kämen hingegen meist mit einer Geldstrafe – statt pädagogisch sinnvollen Arbeitsstunden oder Sozialtraining – davon.
"Das wirkliche Problem sind die – in der Zahl wenigen – Intensivtäter. Für die, bei denen nichts mehr greift, brauchen wir dringend geschlossene Einrichtungen! Sie müssen zunächst gestoppt werden, denn erst dann greift die Chance zum Helfen. Doch dafür fehlt auch das Personal", erklärt Richter die Problematik aus der Praxis.
Vor allem solle man nicht nur erst dann einsetzten, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist: "Junge Menschen, die kriminell werden, sind vernachlässigt und verwahrlost. Sie wurden aufgegeben. Hier versagt die Gesellschaft", schildert Richter seinen Eindruck.
Auch die Gäste sind sich einig: Es werden soziale Frühwarnsysteme benötigt. "Ich würde so weit gehen, dass der Kindergarten zur Pflicht werden sollte", mahnt Kutschaty. Auch Schulpflichtprüfung und Personalaufstockungen werden als Ansätze genannt. Kutschaty: "Schließlich ist es sinnvoller, vorbeugend in Jugendbetreuung zu investieren, als rückwirkend Gelder in die Strafverfolgung zu stecken." Zwei Jugendliche flüchteten nach einem Überfall mit dem Auto und bauten gleich zwei schwere Unfälle.