Hochglanzprospekte und Jugendveranstaltungen

Düsseldorf. (ddp) Sie verteilen Flugblätter in Innenstädten und geben sich als Biedermänner. Sie laden zu Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche und wollen so ihren Nachwuchs rekrutieren.

Politiker und Rechtsextremismus-Experten beobachten neue, auf den ersten Blick harmlos erscheinende Strategien der Neonazis auch in Nordrhein-Westfalen.

Als aktiv gilt besonders der Verein Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ). Die HDJ vertritt nach Ansicht von Experten eine völkisch-nationalistische Ideologie und wirbt gezielt um "deutsche Mädel und Jungen im Alter von 7 bis 25 Jahren", heißt es in einer Kleinen Anfrage des SPD-Innenexperten Thomas Kutschaty. Der Verein habe etwa "unbehelligt Hochglanzprospekte in der Lemgoer Fußgängerzone verteilt", berichtet der Landtagsabgeordnete.

Auch das Innenministerium hat die rechte Jugendorganisation im Blick. "Im Raum Detmold gibt es Aktivitäten der HDJ mit einer örtlichen ‚Leitstelle West‘. Hier finden sporadisch Veranstaltungen der HDJ mit bis zu 20 Personen statt", sagt Ministe- riumssprecher Harmeier. Bundesweit werde die Mitgliederzahl auf 150 Personen geschätzt. In NRW seien es wohl etwa 40 HDJ-Anhänger.

Im Verfassungsschutzbericht des Landes NRW taucht die HDJ bislang nicht auf. Das Innenministerium begründet dies damit, dass "hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht einer verfassungsfeindlichen Bestrebung vorliegen" müssten. Neonazi-Experten ordnen die Organisation dem extremen rechten Spektrum zu. "Die HDJ vermittelt auch in Nordrhein-Westfalen den Eindruck, als handele es sich mehr oder weniger um eine direkte Nachfolgeorganisation der verbotenen Wiking-Jugend", sagt Martin Dietzsch vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung. Die Wiking-Jugend war 1994 verboten worden. Sie galt als Kaderschmiede für den Neonazi-Nachwuchs.

Auch die Rechtsextremismus-Expertin Andrea Röpke warnt vor einem wachsenden Einfluss der HDJ. Die Gefahr durch die Gruppe werde von Behörden und der Gesellschaft massiv unterschätzt, kritisierte die Politologin und Journalistin. In Lagern für Kinder und Jugendliche ziehe die HDJ oft unbehelligt ihren Nachwuchs heran.

Sommercamps Aus anderen Bundesländern wurde zuletzt auch von Sommercamps berichtet, die von den Rechten veranstaltet werden. In NRW sind derartige Ferienzeltlager von Neonazis bislang nicht bekanntgeworden. "Solche Sommercamps laufen meist konspirativ ab. Man erfährt meist nur davon, wenn sich die Rechtsextremen damit brüsten", sagt der Dietzsch. In der Regel seien dies "aber inoffizielle Treffen, die auf Zeltplätzen und oft auch auf Privatgrundstücken stattfinden".

Junge Menschen, die anfällig für rechtes Gedankengut sind, werden auch von den autonomen Nationalisten umworben. Die Gruppierung orientiert sich durch ihr Auftreten äußerlich an den linken Autonomen. Ihre Vertreter zeigen sich etwa bei Demonstrationen schwarz gekleidet, vermummt und teils ohne die üblichen Neonazisymbole.

"In NRW sind bis zu 100 Neonazis dieser Gruppierung zuzurechnen",teilte das Innenministerium dazu mit. "Bei dieser Gruppierung ist es allerdings unklar, ob sie eine eigenständige Richtung im rechtsextremistischen Spektrum vertritt oder ob sie nur als neue Erscheinungsform der Freien Kameradschaften zu verstehen ist", sagt der Duisburger Forscher Dietzsch.

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