Bielefeld (nw). Nach dem Verbot des Neonazi-Bildungszentrums Collegium Humanum in Vlotho im Mai mehren sich in der Politik Stimmen, auch die rechtsextreme sogenannte "Heimattreue Deutsche Jugend" (HDJ) zu verbieten.
Von Matthias Bungeroth
Doch die von vielen Experten als rechtsextrem eingestufte HDJ, die gezielt unter Kindern und Jugendlichen auf Mitgliedersuche ist, taucht im Verfassungsschutzbericht des Landes NRW nicht einmal auf.
"Es ist mir ein Rätsel",kommentiert Ute Koczy, Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen aus Lemgo, diesen Umstand. Sie gehört zu den Mitunterzeichnern eines Verbotsantrags, den die grüne Bundestagsfraktion eingebracht hat und der "wahrscheinlich im Oktober" (Koczy) beraten wird.
Die HDJ war in Ostwestfalen-Lippe erstmals 2006 öffentlich in Erscheinung getreten, als sie bei Horn-Bad Meinberg ein Zeltlager mit rund 100 Teilnehmern veranstaltete. Einige Zelte trugen an Eingängen Schilder mit Aufschriften wie "Führerbunker" oder "Der Heimat und dem Volke treu", was auch auf Fotos dokumentiert wurde. Eine Journalistin, die die Umtriebe in der lippischen Idylle beobachtete, wurde von Teilnehmern des Zeltlagers verfolgt.
Polizei findet keine Anzeichen
Die Polizei konnte jedoch später keine eindeutigen Anzeichen rechtsextremer Aktivitäten vor Ort finden. Man schloss jedoch nicht aus, dass diese entfernt worden waren.
Seit der Berichterstattung über dieses Ereignis gingen die Aktivisten der HDJ, die sich an "alle deutschen Mädel und Jungen im Alter von 7 bis 29 Jahren" (Text der eigenen Homepage) wendet, bei der Organisation weiterer Veranstaltungen offenbar vorsichtiger vor. Dennoch hat es nach Augenzeugenberichten solche Zeltlager, zuletzt im Raum Minden mit rund zehn Erwachsenen und 15 Kindern, immer wieder gegeben.
Ziel der HDJ ist es nach Erkenntnissen des Bundesinnenministeriums, "über zunächst unpolitisch erscheinende Aktivitäten Jugendliche und Kinder an rechtsextremistisches Gedankengut heranzuführen". Das HDJ-Vereinsorgan "Funkenflug" enthalte Texte, "in denen der Nationalsozialismus verherrlicht wird sowie antisemitische Einstellungsmuster deutlich werden".
Deshalb werde die HDJ im Verfassungsschutzbericht des Bundes erwähnt. Das Ministerium hält die HDJ "für einen festen Bestandteil des rechtsextremistischen Zentrums" und sieht personelle Verbindungen sowohl zur NPD, der neonazistischen Kameradschaftsszene als auch zu anderen rechtsextremistischen Organisationen.
Für Peter Bussemas, Leiter des Polizeilichen Staatsschutzes in Bielefeld, ist die HDJ "eine extrem rechte Organisation, die bei uns deutlich im Fokus steht".
In Beantwortung einer kleinen parlamentarischen Anfrage des SPD-Landtagsabgeordneten Thomas Kutschaty sieht NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) jedoch keine "hinreichend gewichtigen tatsächlichen Anhaltspunkte für den Verdacht einer verfassungsfeindlichen Bestrebung".