VON MARKUS GRENZ Borbeck. Beunruhigt, besorgt, zum Teil verärgert: So könnte man die Atmosphäre schildern, die wie ein unsichtbares Gewicht im Saal hängt, in dem kein einziger freier Sitzplatz mehr zu ergattern ist. Über 100 Gäste sind der Einladung der SPD in den Gemeindesaal der Matthäuskirche gefolgt, um sich von Vertretern des Philippusstifts über das mögliche Aus der Spezialstation für Schlaganfall-Patienten informieren zu lassen. Keiner der Besucher ist heute abend mit den Gedanken woanders. Bei einem geschätzten Altersschnitt von 55 Jahren und mehr wissen sie: Der Schlag kann hier jeden treffen.
„Und zwar rund 1600 Menschen im Jahr in Essen. 70 Prozent der Betroffenen erleiden eine Behinderung”, berichtet Dr. Horst Gerhard, Leiter der neurologischen Abteilung im Philippusstift. In derzeit vier Notfallbetten der sogenannten „Stroke Unit”, werden Patienten direkt nach dem Anfall versorgt.
„Darauf ist an diesem Standort zu verzichten”, sagte dazu schon im Jahr 2006 das Gesundheitsministerium NRW, als es den Bettenbedarfsplan definierte. Da tauchte das Philippus-Stift gar nicht erst auf, zwei Partner im Verbund, Uni-Klinikum und Kruppkrankenhaus, jedoch schon. Der Philippus-Stift-Betreiber, die „Katholischen Kliniken Essen-Nord-West”, klagte daraufhin vor dem Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen. Jetzt erfolgte der ablehnende Bescheid. „Wir werden Berufung einlegen”, verweist Dr. Sabine Kisselbach, Verwaltungsdirektorin der Kliniken Essen-Nordwest, auf das Oberverwaltungsgericht in Münster.
Noch haben sich keine Folgen gezeitigt. Nach wie vor wird in Borbeck behandelt. „Aber mittelfristig besteht die Gefahr, dass die Krankenkassen die Leistung nicht mehr bezahlen”, stellt Joachim Schnorr, Leiter Controlling bei den Kliniken Nord-West, fest: „Das wäre ein schwerer Schlag.” Wie schwer, deutet Dr. Birgit Hailer, stellvertretende ärztliche Direktorin beim Träger, an: „Das gibt einen Sogeffekt. Eine Neurologie ist nur komplett, wenn das Akut-Spektrum komplett abgedeckt wird”, sagt sie.
Und dazu gehöre eben die möglichst direkte Versorgung. „Je schneller behandelt wird, desto weniger Gehirn geht verloren. Diese Chance darf man niemandem verwehren”, führt Gerhard aus. Er verweist auf die Bilanz: Bei bis zu 15 Prozent liege die Sterblichkeitsquote bundesweit nach einem Schlaganfall, im Essener Norden dank „Stroke Unit” nur bei vier Prozent. Das macht die Anwesenden betroffen.
„Es geht hier um unser Leben. Morgen können wir im Rettungswagen liegen, der Weg zum Klinikum ist zu weit”, macht ein Besucher seiner Angst Luft: „Wie kann Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann uns etwas wegnehmen, das Leben rettet?”
Das wollen die Parteienvertreter stoppen. „Ab heute beginnt eine große Unterschriftenaktion gegen den Abbau”, kündigt Friedhelm Klix, Sprecher der SPD in der Bezirksvertretung IV, an. Keiner der Bürger wird seine Signatur heute abend verweigern. Darüber hinaus lassen die Borbecker nun die Bögen bei Vereinen, Institutionen, Nachbarn und Familien zirkulieren.
Applaus bekommt auch Oberbürgermeister-Kandidat Reinhard Paß (SPD), der seine Unterstützung verspricht. „Es ist ungerecht, den Norden und Nordwesten wieder zu benachteiligen. Der Anspruch muss sein, im Norden und Süden möglichst gleich gute Lebensverhältnisse zu schaffen”, so Paß. Außerdem sieht er im Landesentscheid auch einen Rückschlag für den Gesundheitsstandort Essen. In einem Brief an Landesminister Laumann hatte der Borbecker Landtagsabgeordnete Thomas Kutschaty (SPD) ihn bereits im Vorfeld aufgefordert, die „eindeutig falsche Entscheidung” im Krankenhausrahmenplan NRW zu korrigieren.
Auch die anderen Parteien ziehen mit. Thorsten Drewes, Vorstandssprecher der Essener Grünen, verspricht ebenso Hilfe, wie der Borbecker Ratsherr Bernd Flügel (CDU). Die Linke ist, sprichwörtlich, betroffen. Bezirksvertreterin Barbara Rienas: „Meinem Mann ist hier nach einem Schlaganfall hervorragend geholfen worden. Die Abteilung funktioniert bestens und muss erhalten bleiben.”
Quelle: DerWesten.de