
Im Juni 2006 wurde der damalige Leiter der Abteilung IV im Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Dr. Friedrich, zunächst von der Wahrnehmung seiner Aufgaben freigestellt. Anschließend wurde das Beschäftigungsverhältnis wegen des Vorwurfs der Missachtung des Vergaberechts sowie der Verletzung weiterer Dienstpflichten fristlos gekündigt.
Das nachfolgende arbeitsgerichtliche Verfahren endete im Oktober 2006 mit einem Vergleich. Inhalt des Vergleichs war eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 75.000 € brutto.
Zuvor hatten die Vertreter des Umweltministeriums zu Protokoll erklärt, dass Dr. Friedrich keinen Verstoß gegen ministeriumsinterne Vergaberegelungen begangen habe, weil es derartige Regelungen in der Vergangenheit nicht gegeben habe.
Bereits im Juli 2006 nahm das Landeskriminalamt Ermittlungen wegen Korruptionsverdachts gegen Dr. Friedrich auf. Knapp zwei Jahre später, im Mai 2008, erließ das Amtsgericht Wuppertal Haftbefehl gegen Dr. Friedrich – unter anderem wegen des Verdachts des banden- und gewerbsmäßigen Betruges in Tateinheit mit banden- und gewerbsmäßiger Untreue.
Am 29. Mai 2008 wurde Dr. Friedrich festgenommen und in Untersuchungshaft verbracht. Am selben Tage wurden ferner bei 13 weiteren Tatverdächtigen und in 45 Objekten in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg Durchsuchungen durchgeführt. Bei diesem Einsatz waren insgesamt 270 Polizeibeamte sowie fünf Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft Wuppertal im Einsatz. Weiter erfolgten Maßnahmen zur Telekommunikationsüberwachung. Schließlich wurden auch Personen verdeckt observiert.
Nach drei Wochen wurde Dr. Friedrich am 20. Juni 2008 aus der Haft entlassen.
Im Januar 2009 wurde das Ermittlungsverfahren in weiten Teilen mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Eine weitere Teileinstellung erfolgte im Mai 2009. Das Ermittlungsverfahren gegen Dr. Friedrich ist derzeit noch wegen drei Tatkomplexen anhängig.
Die Angelegenheit Dr. Friedrich war mehrfach Gegenstand von Beratungen in Ausschusssitzungen des Landtages. Im Einzelnen haben sich der Ausschuss für Haushaltskontrolle, der Umweltausschuss, der Innenausschuss sowie der Rechtsausschuss damit beschäftigt. Hier haben sich unter anderem Minister Uhlenberg und sein Staatssekretär Dr. Schink sowie Justizministerin Müller-Piepenkötter geäußert.
Am 25. Juni 2009 hat der Landtag auf Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen dann die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses beschlossen. Dieser sollte insbesondere die Geschehensabläufe im Umweltministerium und im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen vom Zeitpunkt der Regierungsübernahme Mitte 2005 bis Ende Juni 2009 untersuchen.
Am 2. Juli 2009 haben wir uns als Ausschuss konstituiert.
In seiner knapp neun Monate dauernden Arbeit hat der Ausschuss 1.013 Akten beigezogen. Erstmals sind den Ausschussmitgliedern dabei auch Kopien der beigezogenen Akten in digitaler Form zur Verfügung gestellt worden. Wir haben insgesamt 26 Sitzungen durchgeführt und 33 Zeugen vernommen.
Hierbei haben sich drei Zeugen – auch Herr Dr. Friedrich – zunächst auf ein zum Teil vollständiges Auskunftsverweigerungsrecht berufen. Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss hat gegen diese Zeugen beim Oberlandesgericht Düsseldorf die Festsetzung von Ordnungsgeldern beantragt, weil er die geltend gemachten Auskunftsverweigerungsrechte als unbegründet angesehen hat. In einem Fall ist dieser Antrag abgelehnt worden. Gegen zwei weitere Zeugen ist ein Ordnungsgeld verhängt worden. Dr. Friedrich hat, nachdem gegen ihn ein Ordnungsgeld in Höhe von 450 € festgesetzt worden war, am 3. und 4. Februar 2010 vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss ausgesagt.
Auch mit den Anträgen auf Festsetzung von Ordnungsgeldern hat der Ausschuss Neuland beschritten. Umso bedauerlicher ist es, dass über die Beschwerde gegen den letzten Festsetzungsbeschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf aus zeitlichen Gründen nicht mehr entschieden werden konnte. Hier wären sicherlich einige neue und interessante juristische Fragen zur Beantwortung gekommen.
Der Ihnen jetzt vorliegende Abschlussbericht wird von den Fraktionen der CDU, der SPD und der FDP getragen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat ein Sondervotum erstellt, welches Ihnen ebenfalls vorliegt.
Bevor ich zu den Ergebnissen des Abschlussberichtes komme, danke ich zunächst persönlich und sicherlich auch im Namen aller Ausschussmitglieder allen, die durch ihre große Einsatzbereitschaft die Ausarbeitung und Erstellung dieses Berichts ermöglicht und unterstützt haben. Mein Dank geht an die wissenschaftlichen Referentinnen und Referenten der Fraktionen, an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landtags, an die Damen und Herren des Stenografischen Dienstes und insbesondere an die Mitarbeiterinnen des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses II, Frau Dr. Carola Graf, Frau Silvia Winands und Frau Christine Henkel.
Ferner möchte ich zuvor noch auf die Neutralitätsverpflichtung hinweisen, die mich als Vorsitzenden des Ausschusses trifft. Diese Pflicht gebietet mir eine gewisse Zurückhaltung während der Sitzungen und auch heute hier. Aus diesem Grunde werde ich Ihnen nur die Ergebnisse der Arbeit des Ausschusses darstellen. Eine weitergehende Würdigung überlasse ich anschließend den Fraktionen.
Nun komme ich zu unseren Ergebnissen. Die Kündigung von Dr. Friedrich ist auf den Vorwurf der Missachtung des Vergaberechts und die Verletzung weiterer Dienstpflichten gestützt worden. Dieser arbeitsrechtliche Schritt wurde von Staatssekretär Dr. Schink in den Blick genommen, nachdem er im April 2006 von folgendem Sachverhalt erfahren hatte:
Im November 2005 ging beim Landesrechnungshof eine anonyme Mail ein, in der Missstände bei der Vergabe des Projektes MAPRO im Umweltministerium angezeigt wurden. Bei dem Projekt MAPRO handelt es sich um die – jetzt muss ich genau ablesen – „Wissenschaftliche und fachliche Begleitung der iterativen Entwicklung der integrierten Maßnahmeprogramme zum Schutz und Verbesserung der Gewässergüte in den NRW-Anteilen der Flussgebietseinheiten Rhein, Weser, Ems und Maas“. – Hieran sehen Sie, mit welch schwierigen Materien wir uns auch beschäftigen mussten.
Einer Bitte des Landesrechnungshofes um Stellungnahme zur anonymen Eingabe kam Dr. Friedrich mit Schreiben vom 7. April 2006 nach – jedoch ohne, wie dies seine Pflicht gewesen wäre, zuvor den Beauftragten für den Haushalt in seinem Ministerium zu beteiligen. Auch die Ministeriumsspitze wurde nicht informiert.
Der Untersuchungsausschuss hat allerdings nicht feststellen können, dass die Kündigung von Dr. Friedrich durch andere als die genannten Gründe veranlasst worden ist. Es gibt insbesondere keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Entlassung von Dr. Friedrich von langer Hand geplant wurde, um einen politisch missliebigen Abteilungsleiter aus dem Ministerium zu entfernen. Auch ist nicht erkennbar, dass die Hausspitze Mitarbeiter veranlasst hat, von ihm begangene Verfehlungen zu sammeln. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Entlassung von Dr. Friedrich durch außenstehende Dritte motiviert worden ist oder dass diese zu seiner Kündigung beigetragen haben.
Gleichwohl hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss einige Auffälligkeiten konstatieren müssen, und zwar sowohl in den Abläufen im Umweltministerium als auch bei dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, bei der durchgeführten Telekommunikationsüberwachung und bei der Information des Landtags durch die Landesregierung.
So ist in einer Mail im Umweltministerium in Bezug auf Dr. Friedrich und sein Verhalten von Sammeln die Rede.
Der Justiziar des Umweltministeriums zeichnete sich bereits vor April 2006 durch besonderen Eifer aus und wurde ohne entsprechende Anweisung seiner Vorgesetzten auch in Bereichen tätig, die nicht in seine Zuständigkeit fielen.
Die strafrechtlichen Ermittlungen wurden durch das LKA eingeleitet. Greifbare Anhaltspunkte, dass diese Ermittlungen vom Umweltministerium angeschoben wurden, bestehen nicht. Das LKA wurde vielmehr durch die Presse auf den Sachverhalt aufmerksam.
Allerdings zeichnete sich in diesem Rahmen wiederum der Justitiar des Umweltministeriums durch besonderen Eifer aus. So übermittelte er dem LKA zu Beginn der Ermittlungen eine Vielzahl von Unterlagen, die vom LKA gar nicht angefordert waren. Insoweit drängt sich der Eindruck für den Ausschuss auf, dass er den ermittelnden Beamten seine persönliche negative Einschätzung über Dr. Friedrich nahezubringen versucht hat.
Der Justitiar hat das LKA ferner unaufgefordert und unzuständigerweise über die Existenz von Hinweisen auf korruptive Sachverhalte informiert. Soweit diesbezüglich überhaupt eine Verpflichtung zur Anzeige bestand, hätte diese Pflicht nach den Regelungen des Korruptionsbekämpfungsgesetzes ausschließlich den Minister betroffen. Allerdings hatten der Minister und sein Staatssekretär von den Aktivitäten ihres Justitiars keine Kenntnis. Der Vorwurf einer Befeuerung des Verfahrens kann ihnen daher nicht gemacht werden.
Sowohl Minister Uhlenberg als auch Staatssekretär Dr. Schink können sich aber insoweit nicht von jeder Verantwortung freizeichnen. Für das Handeln ihrer Mitarbeiter tragen letztlich sie die Verantwortung. Insbesondere wäre es wünschenswert gewesen, wenn der zuständige Abteilungsleiter im Umweltministerium gegenüber seinem Mitarbeiter mehr Führungsverantwortung gezeigt hätte.
In Bezug auf das strafrechtliche Ermittlungsverfahren lässt sich hieraus allerdings kein gravierender Vorwurf gegenüber dem Minister oder dem Staatssekretär herleiten. Denn es ist nicht erkennbar, dass das Verhalten des Justitiars ursächlich für die Verhaftung von Dr. Friedrich und die weiteren strafprozessualen Maßnahmen im Mai 2008 war. Auch wenn diese Maßnahmen bei rückwirkender Betrachtung unverhältnismäßig erscheinen, ist ausdrücklich festzuhalten, dass sie auf Beschlüssen unabhängiger Gerichte beruhen. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte, dass diese bei ihren Entscheidungen einer Einflussnahme von dritter Seite ausgesetzt waren. Gleiches gilt für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren.
Allerdings sind auch hier Auffälligkeiten zutage getreten. Den Ermittlungsbehörden wurde vom Umweltministerium nur unvollständiges und einseitiges Aktenmaterial des arbeitsgerichtlichen Verfahrens übermittelt. Beanstandet hat dies die zuständige Staatsanwaltschaft Wuppertal jedoch nicht.
Weiter wurden zur Beurteilung juristischer Fragen von der Staatsanwaltschaft Nichtjuristen herangezogen. Bei einer dieser Personen handelt es sich zudem um eine Mitarbeiterin des Umweltministeriums, die sich auch im Rahmen des Kündigungsverfahrens schon aktiv und intensiv gegen Dr. Friedrich eingesetzt hat.
Auch wurde die Sachbehandlung durch die Staatsanwaltschaft Wuppertal in mehreren Punkten von der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf beanstandet. Der Generalstaatsanwalt wäre nach eigenem Bekunden nicht unglücklich gewesen, wenn der sachleitende Dezernent der Staatsanwaltschaft Wuppertal das Verfahren mitunter etwas enger, mit einer kritischeren Distanz und vielleicht auch gelegentlich mit etwas mehr Fingerspitzengefühl begleitet hätte.
In Bezug auf die Telekommunikationsüberwachung ist für den Ausschuss zunächst nicht nachvollziehbar, dass der sachleitende Dezernent der Staatsanwaltschaft Wuppertal über acht Wochen bis Mitte August 2008 benötigte, um die im Rahmen dieser Maßnahmen erfassten Gespräche abzuhören und auszuwerten. Dies gilt umso mehr, als er spätestens Mitte Juni 2008 davon erfahren hatte, dass auch ein Landtagskollege von uns von der Telekommunikationsüberwachung betroffen war und ihm die politische Brisanz der Abhörmaßnahme klar sein musste.
Daneben ruft Erstaunen hervor, dass die Ermittlungsbehörde bei der Löschung der dabei gewonnenen Daten erhebliche Schwierigkeiten hatte. Diese dokumentieren sich nicht zuletzt darin, dass sich angeblich gelöschte Daten in den dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II übermittelten Akten finden.
Meine Damen und Herren, die Telekommunikationsüberwachung stellt einen gravierenden Grundrechtseingriff für die Betroffenen dar, bei dem es zudem um den Umgang mit hoch sensiblen Daten geht. Deshalb erscheint es für die Zukunft unabdingbar, die hier zutage getretenen Probleme unverzüglich und vollständig zu beseitigen.
Der Ausschuss hatte ferner die Aufgabe, die Information des Landtages in der Angelegenheit Dr. Friedrich durch die Landesregierung zu überprüfen.
Hierzu ist zum einen festzuhalten, dass Staatssekretär Dr. Schink in der Sitzung des Ausschusses für Haushaltskontrolle am 3. Juni 2008 jedenfalls objektiv die Unwahrheit gesagt hat. Dort hat er erklärt, es entziehe sich seiner Kenntnis, ob der Lehrauftrag von Dr. Friedrich an der RWTH Aachen bezahlt worden sei oder nicht. Eine Anzeige hierüber sei an das Ministerium nicht erfolgt.
Tatsächlich hatte Dr. Friedrich aber im Februar 2006 die unentgeltliche Wahrnehmung eines Lehrauftrages an der RWTH Aachen im Ministerium schriftlich angezeigt. Diesem Schreiben war beigefügt ein Vordruck der Universität Aachen, in dem angekreuzt ist, dass der Lehrbeauftragte auf eine Vergütung verzichtete. Dieses Schreiben trägt die Paraphe von Staatssekretär Dr. Schink.
Es kann allerdings nicht mehr festgestellt werden, ob sich der Staatssekretär bei seinen Ausführungen im Haushaltskontrollausschuss dieses Schreibens noch bewusst war. Zwar hat er im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss hierzu erklärt, dass ihm Detailkenntnisse insoweit nicht mehr präsent gewesen seien, er habe sich die Unterlagen vor der Sitzung des Ausschusses für Haushaltskontrolle nicht mehr angesehen. Es ist aber auch für den Ausschuss nicht erkennbar, ob es sich hierbei um eine zutreffende Angabe des Staatssekretärs oder aber um eine bloße Schutzbehauptung des Staatssekretärs handelt.
Zum anderen ist zur Information des Landtages über die hier in Rede stehende Angelegenheit anzumerken, dass die Justizministerin in der Sitzung des Rechtsausschusses am 14. Januar 2009 zwar erkennbar eine kurze Zusammenfassung des Berichts der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf vom 9. Januar 2009 vorgetragen hat; eine detaillierte Darstellung erfolgte aber nicht. In dieser Sitzung hat Frau Müller-Piepenkötter insbesondere nicht erwähnt, dass eine Einstellung des Verfahrens auch wegen der im Raume stehenden korruptiven Sachverhalte erfolgen sollte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn sich keine Beweise für eine politisch motivierte Entlassung von Dr. Friedrich oder für eine politische Einflussnahme auf die gegen ihn gerichteten strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen finden ließen, rechtfertigen die festgestellten Auffälligkeiten und Ungereimtheiten jedoch den Schluss, dass die Einsetzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses II auch bei rückwirkender Betrachtung nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig war.
Abschließend bedanke ich mich bei allen Kolleginnen und Kollegen des Untersuchungsausschusses für die konstruktive und kollegiale Zusammenarbeit bei der Bewältigung eines nicht immer einfachen Verfahrens,
das zwar unter erheblichem Zeitdruck stand, von uns jedoch sorgfältig und gewissenhaft geführt wurde. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.