Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Damen und Herren,
40 Jahre Landesvereinigung Nordrhein-Westfalen im Bund Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen – das ist in der Tat ein Grund zum Feiern! Ich freue mich sehr, dass ich Ihnen zu diesem Jubiläum heute und in diesem feierlichen Rahmen meine herzlichsten Glückwünsche aussprechen kann. Und genau genommen haben Sie ja sogar doppelt Grund zu feiern.
Denn Sie, sehr geehrter Herr Thum, lieber Günter, können in diesem Jahr auf eine 20jährige erfolgreiche Amtszeit als Landesvorsitzender zurückblicken. Auch zu diesem persönlichen Jubiläum, das in unserer schnelllebigen Zeit wahrlich Seltenheitswert hat, beglückwünsche ich Sie sehr und wünsche Ihnen für Ihre persönliche Zukunft, in der Sie auch ohne den Landesvorsitz das Schiedsamt sicher nie ganz loslassen wird, alles Gute. Ihnen im Besonderen, aber natürlich auch allen anderen Schiedsleuten hier im Saal und in Nordrhein-Westfalen möchte ich meinen aufrichtigen Dank für Ihre jahrzehntelange engagierte, erfolgreiche und häufig genug auch nervenaufreibende Arbeit in diesem Ehrenamt aussprechen.
"Wenn Sie jemanden verklagen wollen, dann überlegen Sie es sich, überschlafen Sie die Sache noch einmal, und schenken Sie für das Geld – (das Verfahren, Anwalt und Urteil kosten) -, Ihrer Familie etwas Hübsches. Sie haben mehr davon."
So riet Kurt Tucholsky bereits in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Ob er, was die Anwälte angeht, damit wirklich so Recht hatte, möchte ich als ehemaliger Anwalt an dieser Stelle einmal dahinstehen lassen… Jedenfalls gilt damals wie heute: einvernehmliche Lösungen führen eher zu dauerhaftem Rechtsfrieden zwischen den Parteien als ein streitiges Urteil.
Sehr geehrte Damen und Herren,
seit Jahrzehnten schon leisten Schiedsfrauen und Schiedsmänner in Nordrhein-Westfalen einen unverzichtbaren Beitrag zum Rechtsfrieden in unserem Land. Mit Ihrem Engagement bieten sie den Bürgerinnen und Bürgern eine effiziente, bürgernahe und äußerst kostengünstige Alternative zum gerichtlichen Verfahren. Durch die hohe Vergleichsquote entlasten sie nicht nur die Justiz, sondern tragen auch zu einer weitaus höheren Identifikation der streitenden Parteien mit dem Schlichtungsergebnis bei als dies durch eine gerichtliche Entscheidung jemals möglich wäre.
Ihre Bereitschaft, die eigene Freizeit den Rat suchenden Bürgerinnen und Bürgern nahezu unentgeltlich zur Verfügung zu stellen und mit ihnen im Interesse des Rechtsfriedens in oft stundenlangen Gesprächen an einer einvernehmlichen Lösung zu arbeiten, ist keine Selbstverständlichkeit. Dies verdient besondere Anerkennung!
Sehr geehrte Damen und Herren,
der Einsatz der Schiedsleute beschränkt sich, was gelegentlich aus dem Fokus gerät, nicht nur auf die bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten. Auch in Strafsachen werden sie aktiv. Ideen der Wiedergutmachung haben das Gesicht des Kriminalrechts seit den 90er Jahren geprägt. Die Befriedungsfunktionen des Rechts rückten auch hier in den Vordergrund. Die im Jahre 1999 neu eingeführte Regelung des § 155a StPO verleiht dem Täter-Opfer-Ausgleich eine gewisse Vorrangstellung gegenüber herkömmlichen Verfahren, denn Staatsanwaltschaft und Gericht sollen nunmehr „in jedem Stadium des Verfahrens die Möglichkeiten prüfen, einen Ausgleich zwischen Beschuldigtem und Verletztem zu erreichen".
Meine Damen und Herren, ich halte das Modell des Täter-Opfer-Ausgleich für eine gute Möglichkeit, ein Strafverfahren alternativ zu erledigen. Gerade bei Konflikten im engen sozialen Umfeld tritt der staatliche Strafanspruch in den Hintergrund und die Versöhnung der Beteiligten erhält Vorrang. Ich denke beispielsweise an eskalierende Nachbarschaftsstreitigkeiten, bei denen es uns in erster Linie um eine dauerhaft haltbare Streitschlichtung gehen muss. Dem Opfer können zugleich ein Zivilrechtstreit und eine Vernehmung als Zeuge erspart werden. Dem Täter werden die Folgen seiner Tat für das Opfer nachhaltig verdeutlicht.
Der Tagesordnung Ihrer diesjährigen Versammlung habe ich entnommen, dass gestern der Täter-Opfer-Ausgleich und mögliche Aufgaben für Schiedspersonen Thema Ihrer Tagung war. Ich nehme an, dass damit eine Erweiterung des Betätigungsfeldes für Schiedsfrauen und Schiedsmänner in Nordrhein-West¬falen angesprochen werden soll, nämlich als Ausgleichsstelle im Sinne des § 155b StPO, die von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht mit der Durchführung eines förmlichen Täter-Opfer-Ausgleichsverfahrens beauftragt werden kann.
Von Bedeutung ist meines Erachtens in diesem Zusammenhang, dass die Domäne der Schiedspersonen im Strafrecht das Privatklageverfahren ist. Bei Privatklagedelikten wird aber in aller Regel ein Täter-Opfer-Ausgleich durch Staatsanwaltschaft oder Gericht nicht betrieben werden. Vielmehr sieht die Realität so aus, dass die Staatsanwaltschaft bei solchen Delikten die Anzeigeerstatter auf den Privatklageweg verweist, sofern nicht ausnahmsweise die Strafverfolgung im öffentlichen Interesse liegt. Dies ist der Fall, wenn der Rechtsfrieden über den Lebenskreis des Verletzten hinaus gestört ist und die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit ist. Zwar schließen sich Bejahung des öffentlichen Interesses und Täter-Opfer-Ausgleich nicht zwingend aus. Nach meiner Erfahrung wird aber die Staatsanwaltschaft bei hinreichendem Tatverdacht und bestehendem öffentlichen Interesse doch wohl eher Anklage erheben als eine Stelle mit der Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs zu beauftragen.
Ihr Motto als Schiedsfrauen und Schiedsmänner lautet "Schlichten ist besser als Richten". Dem kann ich nur uneingeschränkt zustimmen. Zwischen Tätern und Opfern bei Privatklagedelikten einen Ausgleich zu vermitteln, ist die ureigene Aufgabe der Schiedsstellen im Bereich des Strafrechts.
Eine durch Schiedsfrauen und Schiedsmänner vermittelte Konfliktlösung ist in der Regel bei den Privatklagedelikten zugrunde liegenden Lebenssachverhalten besser geeignet, dauerhaft und nachhaltig Rechtsfrieden herzustellen als eine strafgerichtliche Verurteilung. So gesehen – also nicht im Sinne einer formalen Einbindung in das strafprozessuale Verfahren, sondern im Sinne einer tatsächlichen Befriedung der Konfliktparteien – ist der Täter-Opfer-Ausgleich nicht eine mögliche, sondern schlicht die Aufgabe der Schiedsfrauen und Schiedsmänner. Ich weiß, dass Sie diese Aufgabe mit großem Engagement und immer wieder erfolgreich wahrnehmen. Ihre ehrenamtliche Tätigkeit hat – man kann es nicht oft genug sagen – nicht nur befriedende Funktion, sondern ist auch für die Justiz schon wegen der Schonung ihrer Ressourcen von erheblicher Bedeutung.
Ich weiß, dass zumindest in Brandenburg Schiedsfrauen und Schiedsmänner in Vorbereitung einer staatsanwaltschaftlichen oder gerichtlichen Entscheidung als Ausgleichsstelle im Rahmen des förmlichen Täter-Opfer-Ausgleichs tätig werden. Die bislang mit der Wahrnehmung dieser zusätzlichen Aufgabe gewonnenen Erfahrungen werde ich auswerten. Auf dieser Grundlage bin ich zu gegebener Zeit gerne zur Prüfung und Diskussion einer Ausweitung der den Schiedsfrauen und Schiedsmännern in Nordrhein-Westfalen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben bereit.
Für noch wichtiger und vordringlicher als gesetzliche Änderungen halte ich aber eine Erhöhung der Akzeptanz der Schiedsstellen in der Bevölkerung. Nicht nur bei Ihnen und mir, sondern auch bei den Bürgerinnen und Bürgern unseres Rechtsstaates muss sich – und das insbesondere wenn sie sich als Konfliktparteien begegnen – die Erkenntnis durchsetzen, dass Schlichten besser ist als Richten.
Sehr geehrte Schiedsfrauen und Schiedsmänner,
Ihr beeindruckendes ehrenamtliches Engagement ist Ausdruck von Verantwortungsbereitschaft für unser Land und Solidarität mit den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land. Und dass wir trotz der allgemein festzustellenden rückläufigen Bereitschaft zur Übernahme ehrenamtlicher Tätigkeiten ein starkes Schiedswesen in Nordrhein-Westfalen haben, freut mich sehr und ist sicher zum großen, vielleicht sogar zum größten Teil auf den unermüdlichen Einsatz des Landesverbandes für die Belange und Interessen der Schiedsleute zurückzuführen. Ohne seine Unterstützung wäre es den Schiedsleuten vor Ort oft gar nicht möglich, ihre verantwortungsvolle Tätigkeit so erfolgreich, wie es ihnen hier in Nordrhein-Westfalen seit nunmehr über 40 Jahren gelingt, zu erbringen.
Sehr geehrte Schiedsfrauen und Schiedsmänner,
auf Ihren ehrenamtlichen Einsatz im Dienste der Bürgerinnen und Bürger können Sie mit Recht stolz sein! Und Sie können sich sicher sein: Es ist mir ein Anliegen, Sie auch in Zukunft bei Ihrer Arbeit soweit als möglich zu unterstützen.
Ich wünsche Ihnen für die Zukunft weiterhin eine glückliche Hand bei ihrem Wirken und – auch das darf nicht zu kurz kommen – Freude bei der Erfüllung Ihrer für unsere Gesellschaft so wertvollen Aufgabe.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.