Der deutsche Konzern Hochtief gehört zu den international führenden Baudienstleistern. Und trotz des wirtschaftlichen Erfolgs muss sich das Unternehmen aktuell gegen die drohende Übernahme durch den spanischen Baukonzern ACS wehren. Sigmar Gabriel besuchte die Hochtief-Belegschaft und forderte Initiativen der Bundesregierung. Begleitet wurde der SPD-Parteivorsitzende u.a. von dem Essener Landtagsabgeordneten und NRW-Justizminister Thomas Kutschaty, Essens Oberbürgermeister Reinhard Paß sowie den Bundestagsabgeordneten Petra Hinz und Anton Schaaf.
„Unternehmen müssen auf Augenhöhe miteinander sprechen können“, sagte der SPD-Vorsitzende auf der Betriebsversammlung vor Hunderten Beschäftigten. „Hochtief ist eine Perle des deutschen Unternehmensbestandes.“ Das sei nicht Opel, Karstadt oder Quelle. „Wir reden über ein Unternehmen, dass keinen Cent staatliche Hilfe braucht“, sagte Gabriel. In Deutschland würden Regeln gelten, die ein gutes Unternehmen nicht vor der Übernahme durch ein schlechtes Unternehmen schütze. Das müsse geändert werden. „Was hier passiert ist, ist volkswirtschaftlicher Unsinn.“ Hochtief sei derzeit ein Schnäppchen, dass an der Börse unterbewertet sei.
Das Unternehmen ist „hochattraktiv“ für die Spanier, deren Geschäft durch die Wirtschaftskrise deutlich schwächelt (derzeitiger Schuldenstand von ACS ca. 10 Milliarden Euro). Der deutsche Baukonzern ist deshalb interessant, weil er mit zur internationalen Spitze gehört: 40 Milliarden Euro Auftragsbestand (Stand: Juni 2010) und 600 Millionen Euro Gewinn 2009. Die Befürchtung: ACS will Hochtief zerschlagen und plündern, um mit den Finanzmitteln über eigene Schwierigkeiten hinwegzukommen. Die „feindliche Übernahme“ würde voraussichtlich mit einem massiven Arbeitsplatzabbau einhergehen. „Wir brauchen so schnell wie möglich eine Gesetzesinitiative“, forderte Gabriel. Dazu brauche man die Zusammenarbeit mit der Bundesregierung. Sie müsse auch der spanischen Regierung klarmachen, dass sie nicht deutsche Arbeitnehmer, die über EU-Mittel Steuergelder nach Spanien gebracht hätten, arbeitslos machen dürfe.
Im Abwehrkampf gegen die drohende Übernahme hat der Betriebsrat ein Eingreifen der Bundesregierung gefordert. Es müsse zum Schutz von Unternehmen eine Lücke im Wettbewerbsrecht geschlossen werden, verlangte der Betriebsrat am Donnerstag in einer Petition. ACS dürfe sich nicht auf Kosten von Hochtief sanieren. „Wir wollen gleiches Recht für alle.“ Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) hat eine Einmischung in den Übernahmekampf bislang abgelehnt. Hochtief- Betriebsratschef Siegfried Müller bezeichnete das Verhalten Brüderles als „unerträglich“.
Während Hochtief aus eigener Kraft am Weltmarkt gewachsen sei, verdanke ACS seine Größe dem abgeschotteten spanischen Heimatmarkt, sagte Betriebsratschef Müller. Dort seien der Ausbau der Infrastruktur mit EU-Subventionen, also auch deutschen Steuergeldern, vorangetrieben und Aufträge nur an nationale Konzerne wie ACS vergeben worden. Noch an diesem Donnerstag wollte ACS, das bereits rund 30 Prozent an Hochtief besitzt, ein Übernahmeangebot der Finanzaufsicht Bafin vorlegen. Für fünf Hochtief-Anteile sollen die Aktionäre acht ACS-Anteile erhalten. Der vergleichbare Wert liegt unter dem derzeitigen Hochtief-Kurs.
Der Betriebsrat fordert eine gesetzliche Regelung wie es sie in vielen anderen EU-Ländern gibt. Danach soll eine Beteiligung zwischen 30 und 50 Prozent nur erlaubt sein, wenn bestimmte Erwerbsgrenzen nicht überschritten werden, zum Beispiel zwei Prozent pro Jahr, sagte Müller. Die Geschäfte des größten deutschen Baukonzerns florieren vor allem in Australien und Asien. In Australien ist Hochtief mit seiner Tochter Leighton Marktführer. Auf dem US-Baumarkt besetzt Hochtief mit den Töchtern Turner und Flatiron wichtige Marktpositionen. Auf dem Heimatmarkt gehen die Auftragseingänge seit Jahren zurück. Den überwiegenden Teil des Konzernumsatzes von 18 Milliarden Euro erwirtschaftete das Unternehmen 2009 im Ausland. Hochtief beschäftigt in Deutschland 11.000 Mitarbeiter, weltweit sind es 66.000.