Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bedanke mich für die Einladung zur heutigen Veranstaltung, die offenbar eine gute Resonanz gefunden hat. Es freut mich, dass das Thema Mediation eine so große Anziehungskraft auf die Menschen in der Justiz und in der Anwaltschaft ausübt.
Ich nehme an, dass die meisten von Ihnen, sehr verehrte Damen und Herren, nicht hergekommen sind, um sich von mir über die Vorzüge des Mediationsverfahrens belehren zu lassen. Gestatten Sie mir dazu gleichwohl eine kurze Bemerkung.
Gegenstand des Zivilprozesses sind bekanntlich die privaten Interessen der Parteien. Der Zivilprozess als Institution erfüllt aber auch soziale Funktionen.
Seine Aufgabe besteht insbesondere darin, den gestörten Rechtsfrieden wiederherzustellen. Die Verwirklichung dieses Ziels wird allerdings zuweilen dadurch erschwert, dass es in jedem Rechtsstreit Gewinner und Verlierer gibt. Die Fragestellung im Zivilprozess lautet: Steht der klagenden Partei ein Anspruch gegen die beklagte Partei zu? Mediation ist der Versuch, in geeigneten Fällen diese Fragestellung zu überwinden und nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen, die den Interessen beider Seiten entsprechen. Mediation ist also ein Verfahren, das den Ehrgeiz hat, Konflikte zu lösen, ohne dass es Gewinner und Verlierer gibt. Das macht den besonderen Charme der Mediation aus und eröffnet gute Chancen, eine dauerhafte Einigung herbeizuführen. So können soziale oder wirtschaftliche Beziehungen trotz der Belastung durch den Rechtsstreit aufrecht erhalten bleiben. Deshalb hat die Justiz meiner Meinung nach aus gutem Grund begonnen, die Mediation in den Gerichtsalltag zu integrieren.
Diese Integration vollzieht sich mit bemerkenswerter Geschwindigkeit. Mittlerweile sind in Nordrhein-Westfalen über 270 Richterinnen und Richter zu Mediatoren ausgebildet worden. Die Zahl der richterlichen Mediatoren in Nordrhein-Westfalen hat sich in den letzten beiden Jahren fast verdoppelt. Dabei ist die Ausdehnung der Mediation nicht auf die Eingangsgerichte beschränkt geblieben.
Dass richterliche Mediation jetzt auch bei dem Oberlandesgericht Hamm angeboten wird, ist ja der erfreuliche Anlass für die heutige Veranstaltung. Das Mediationsverfahren wird sich, davon bin ich überzeugt, auch in der zweiten Instanz erfolgreich einsetzen lassen. Gerade die Streitigkeiten, in denen die Herstellung des Rechtsfriedens mit dem erstinstanzlichen Urteil noch nicht abschließend gelungen ist, können ein sinnvolles Betätigungsfeld für richterliche Mediatoren darstellen.
Anrede,
ich habe seit meinem Amtsantritt immer wieder festgestellt, dass innerhalb der Justiz ein großes Interesse an der Mediation besteht. Das freut mich. Die prozessbegleitende Mediation in Nordrhein-Westfalen soll nämlich weiter wachsen. Allerdings nicht als Monokultur, denn Monokulturen sind anfällig. Ich lege Wert darauf, dass in Nordrhein-Westfalen sowohl für die richterliche als auch für die anwaltliche Mediation Platz ist. Ein Projekt zur prozessbegleitenden anwaltlichen Mediation durfte ich im letzten Monat am Landgericht Wuppertal eröffnen. Weitere Projekte dieser Art sind bei den Landgerichten Düsseldorf und Duisburg geplant. Absehbar sind auch neue Projekte der richterlichen Mediation. Die Landgerichte Hagen und Siegen haben die Bereitschaft bekundet, Richtermediation anzubieten, ebenso die Arbeitsgerichtsbarkeit.
Richterliche Mediation und anwaltliche Mediation sollen sich ergänzen – nach meiner Vorstellung nicht nur im Sinne einer friedlichen Koexistenz, sondern im Sinne einer echten Kooperation. Ich denke, im Bereich der Mediation können Justiz und Anwaltschaft viel voneinander lernen, so dass beide Seiten von einer Zusammenarbeit profitieren – wenn Sie so wollen, eine klassische "win-win-Situation". Zu diesem Thema werden Sie, sehr geehrter Herr Kollege Zurheide, gleich noch einen Vortrag halten, auf den ich sehr gespannt bin.
Im Zusammenhang mit der zukünftigen Entwicklung im Bereich der prozessbegleitenden Mediation möchte ich noch eine weitere Bemerkung machen. Ich weiß, dass in der Richterschaft der Wunsch besteht, Mediation auch in Familiensachen durchzuführen. Das Justizministerium stand dem bislang zurückhaltend gegenüber. Diese Haltung war hauptsächlich von der Sorge getragen, dass die Mediation in Familiensachen spezifische Schwierigkeiten aufweist und zeitaufwendiger sein kann. Das könnte im Ergebnis zu einer Mehrbelastung der Gerichte führen. Dieses Skepsis teile ich nicht; ich glaube vielmehr, dass gerade Familiensachen für eine Mediation besonders geeignet sind. Deshalb habe ich die Fachabteilung meines Hauses gebeten, entsprechende Grundsätze zu erarbeiten und zeitnah Pilotgerichte auszuwählen. Ich bin mir sicher, dass auch die Familienmediation eine Erfolgsgeschichte werden wird.
Anrede,
ich denke, es ist an der Zeit, auch die richterliche Mediation in Nordrhein-Westfalen einer gründlichen Auswertung zu unterziehen.
Wie Sie wissen, hat das Bundesministerium der Justiz im August den Referentenentwurf eines Mediationsgesetzes vorgelegt. Der Gesetzentwurf sieht im Hinblick auf die Einführung der gerichtlichen Mediation eine Länderöffnungsklausel vor. Es ist aus meiner Sicht zu begrüßen, dass die Länder selbst entscheiden, ob und an welchen Gerichten Mediation angeboten wird. Die Länder können dabei die Erfahrungen aus den jeweiligen Modellprojekten berücksichtigen.
Ich halte es daher für sinnvoll, dass in Nordrhein-Westfalen die richterliche Mediation unter wissenschaftlicher Begleitung evaluiert wird. Die Untersuchung soll sich nicht nur darauf erstrecken, wie die beteiligten Parteien und Rechtsanwälte das Verfahren wahrnehmen und wie die Mediation ihr zukünftiges Konfliktregelungsverhalten beeinflusst.
Es soll auch eine rechtsökonomische Analyse stattfinden. Sie zielt darauf ab, Aufwand und Ertrag der richterlichen Mediation im Vergleich zum streitigen Verfahren zu ermitteln. Berücksichtigt wird natürlich auch, ob das Ergebnis der Mediation einen Mehrwert enthält, der über den eigentlichen Streitgegenstand des Gerichtsverfahrens hinausgeht. Erfreulicherweise ist es gelungen, als Forscher Herrn Prof. Bierbrauer und Herrn Dr. Klinger zu gewinnen, die in Mecklenburg-Vorpommern das dortige Mediationsprojekt evaluiert haben. Daran soll das nordrhein-westfälische Forschungsvorhaben anknüpfen. Ich bin zuversichtlich, dass die Ergebnisse der Forschung uns wertvolle Erkenntnisse darüber liefern, wie die Rahmenbedingungen der Mediation in Nordrhein-Westfalen zukünftig auszugestalten sind.
Die Untersuchung wird noch in diesem Jahr beginnen. Sie soll an den Landgerichten Essen und Paderborn sowie am Verwaltungsgericht Minden durchgeführt werden. Selbstverständlich wird auch ein Beirat unter Einbeziehung der gerichtlichen Praxis eingerichtet. Ich möchte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Richterschaft, ganz herzlich darum bitten, das Forschungsprojekt nach Kräften zu unterstützen.
Abschließend möchte ich Ihnen, sehr geehrter Herr Keders, meinen Dank aussprechen. Sie haben sich als Präsident des Oberlandesgerichts Hamm mit der gewohnten Tatkraft dafür eingesetzt, dass die Richtermediation hier angeboten wird. Ich möchte auch die Richterinnen und Richter ansprechen, die sich bereit erklärt haben, als Mediatoren tätig zu sein. Ich weiß, dass Sie die Mediatorenausbildung ohne eine Entlastung und teilweise auch an den Wochenenden absolviert haben. Für diesen besonderen Einsatz danke ich Ihnen ganz herzlich.
Anrede,
ich wünsche der Veranstaltung einen guten Verlauf und hoffe auf einen regen Meinungsaustausch. Für Ihre Aufmerksamkeit bedanke ich mich.