Liebe Borbecker Nachrichten,
sehr geehrtes Redaktionsteam,auch wenn ich es bis zum letzten Moment hinausgezögert habe – nun ist an der Zeit inne zu halten, zurück zu blicken und Abschied zu nehmen. Und dabei wird mir gerade bewusst, welch‘ langen Weg wir miteinander gegangen sind.
Mein gesamtes politisches Leben haben mich die Borbecker Nachrichten begleitet: vom Einzug in die Bezirksvertretung 1989 und in den Rat der Stadt Essen 1999 über meinen ersten Wahlkampf für den Landtag 2005, meine ersten Jahre als Abgeordneter, die Ernennung zum Justizminister 2010, die Wahl zum Vorsitzenden der Essener SPD 2016 bis nun hin zu meiner neuen Aufgabe als Oppositionsführer, als Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion.
Wenn man eine solch lange Zeit miteinander verbringt, dann bleiben einem einige Dinge besonders deutlich in Erinnerung. Bei mir ist das unter anderem das regelmäßige Grußwort zum Jahreswechsel. War es doch für mich auch immer der Moment, das vergangene Jahr noch einmal in Gedanken Revue passieren zu lassen und einen Ausblick auf die Herausforderungen des nächsten Jahres zu wagen.
Ich will damit aber nicht sagen, dass mir die Berichterstattung in den Borbecker Nachrichten stets gefallen hat. Das wäre von einem Politiker wohl auch ein zweifelhaftes Kompliment. Ich möchte aber sagen, dass ich diese immer ausgewogen fand und ich mich immer persönlich fair behandelt fühlte.
Ich schreibe Ihnen diese Zeilen aber nicht nur als Politiker, sondern auch als Borbecker, der seiner Heimat immer treu geblieben ist. Mit Ihnen stirbt wieder ein Stück mehr an mehr Stadtteilkultur, ein bisschen mehr an Tradition geht verloren – wie das Büdchen an der Ecke, wie die Kneipe nebenan, wie der vertraute Nachbar. Das ist sehr schade. Mit Ihrer Berichterstattung haben Sie über Jahrzehnte Ihren Teil zu einem attraktiven, liebens- und lebenswertem Borbeck beigetragen. Vielen Vereinen, Verbänden, Initiativen, Bürgerinnen und Bürger haben Sie eine gewichtige Stimme gegeben, waren ihr Sprachrohr. Viele Stadtteilaktivitäten haben Sie erfolgreich begleitet, bei vielen Themen haben Sie den Finger an der rechten Stelle in die Wunde gelegt, haben aufgeklärt, aufgedeckt, abgewogen und zum Wohle unserer Stadtteile Bericht erstattet. Sie sind zu einem eigentlich unersetzbaren Stück Borbeck geworden.
Aber das Aus für die Borbecker Nachrichten hat noch eine andere Dimension. In Zeiten, in denen unsere gesellschaftliche Einigung auf die eine Realität nicht mehr selbstverständlich ist, in der „alternative Fakten“ und die bewusste Lüge zum Maßstab der Debatte werden, in diesen Zeiten ist Journalismus, der es wert ist, diesen Namen zu tragen, eigentlich nicht genug wertzuschätzen. Mit dem Interesse an den traditionellen Medien schwindet auch das Interesse an den politischen Themen. Denn die Zeitungen sind es, die über die politische Arbeit auf allen Ebenen informieren. Deshalb trifft der Rückgang der Leserzahlen auch unsere Demokratie bis ins Mark. Deshalb werden Sie uns hier vor Ort fehlen, der Verlust wird schwer aufzufangen sein.
Liebe Borbecker Nachrichten,
sehr geehrtes Redaktionsteam,bevor der letzte Vorhang fällt, erhebe ich mich dankbar und wehmütig für einen langanhaltenden Applaus.
Herzlichst Ihr
Thomas Kutschaty MdL