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Kurz vor Weihnachten war das. Von Tag zu Tag fiel mir das Atmen in der kalten Winterluft schwerer. Ich muss so 9 oder 10 Jahre alt gewesen sein, als mir im wahrsten Sinne des Wortes die Luft wegblieb. Und so saß ich auf einmal mit meinen Eltern in einem Taxi auf dem Weg ins Krankenhaus, schwer nach Luft ringend. Diagnose: Pseudokrupp. Nichts wirklich Schlimmes, aber es war bis heute tatsächlich das einzige Mal, dass ich für mehrere Tage stationär im Krankenhaus behandelt werden musste.

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Die Ärzte hatten eine Erklärung für die Erkrankung: die schmutzige Luft im Essener Norden. Keine Ahnung, ob da wirklich ein Zusammenhang bestand. Unterbewusst hat sich das aber scheinbar festgesetzt. Bei den Jusos war der Protest gegen eine geplante Sondermüll-Verbrennungsanlage eine meiner ersten politischen Aktionen. Sozial und ökologisch, mir war irgendwie von Anfang an beides wichtig.

Das zog sich auch durch meine Zeit als Zivi. Die ersten zehn Monate war ich im Fahrdienst für den Arbeiter-Samariter-Bund unterwegs. In einem beigen Mercedes Sprinter habe ich Kinder mit Behinderungen morgens von zuhause abgeholt und in die Förderschule gebracht. Oder Erwachsene mit Handicap zum Arzt gefahren, und auch mal in die Kneipe und zurück. Da ging eine Schicht gerne bis 23 Uhr. Für mich war das in Ordnung, hat ja Spaß gemacht.

Für die zweiten zehn Monate bin ich zur Geschäftsstelle Umweltschutz der Stadtverwaltung Essen gewechselt. Das war eine Art Unterabteilung des Gesundheitsamts. Total neu und total spannend. Wir waren vier Zivis und sind wie die Umwelt-Sheriffs durch Essen gekurvt. Wir haben Dreckecken geschrubbt oder schmutzige Altglascontainer sauber gemacht. Zum Job gehörten auch Führungen in einer Altglasaufbereitungsanlage, auf einer Kompostierungsanlage oder durch den GRUGA-Park. Ab und an durften wir sogar Verwaltungsaufgaben machen. Da saß ich dann in einem Büro im Essener Rathaus und nahm Anrufe über das Umwelt-Notruf-Telefon der Stadt entgegen. 88-4300 – „Wie kann ich Ihnen helfen?“ Bürgerinnen und Bürger meldeten hier ihre Beschwerden über Umweltverschmutzungen. Ich hab dann die zuständigen Stellen in der Verwaltung, Feuerwehr oder Ordnungsamt, informiert und koordiniert. So hab ich wohl mein juristisches Verwaltungstalent entdeckt.

Eigentlich wollte ich Architekt werden. Aber in der Zeit ist dann die Idee entstanden, Jura zu studieren. Mein Sinn für Gerechtigkeit, soziales Miteinander und ökologisches Bewusstsein haben sich offenbar bei mir tief verankert – und ihre bunten Steine ins Mosaik meiner Seele getragen. Zugegeben, der Gedanke stammt auch von Reinhard Mey. Stimmt aber wieder.