
Kindheit: Kurzer Umzug, große Wirkung
Du kommst aus der Schule, isst zu Mittag, erledigst die Hausaufgaben und freust Dich, dass die Anderen endlich an der Klingel läuten. Wenn es vor die Tür ging, war uns Kindern in der Borbecker Eisenbahnersiedlung das Wetter herzlich egal.
Ich weiß noch: Damals kamen diese Rollschuhe mit dem großen Stopper vorne raus (heute kommen die ja wieder). In einer Sackgasse haben wir damit über viele Jahre Rollhockey gespielt. Dann ging es ordentlich zur Sache. Einzige Regel: Wenn die Laternen angehen, bist Du auch wieder zu Hause.
Als Kind musste man auch nicht weit weg. Aber selbst kleine Distanzen können schon viel verändern. So zogen wir von Hausnummer 256 in Hausnummer 250, als ich sechs Jahre alt war und es erschloss sich eine neue Welt für mich. Mussten wir zuvor im Dachgeschoss auf engstem Raum auskommen, bekam ich jetzt endlich mein eigenes Zimmer. Das war neuer Luxus.
In der Schule war ich unauffällig. Meine Eltern waren erstaunt, als mein Grundschullehrer beim Elternsprechtag mit der Empfehlung um die Ecke kam: „Schicken Sie den Jungen mal aufs Gymnasium.“ Da bin ich dann auch hingegangen und habe mir mit über 40 Kindern die Klasse in der Borbecker Schule geteilt. So war das halt in den geburtenstarken Jahrgängen. Da musste man schon im Kindergarten mit drei Jahren angemeldet werden, um im Alter von 5 für ein Jahr reinzukommen. Man lernt schnell, miteinander gut auszukommen, wenn man aufeinander hockt.

Das Vertrauen war groß, dass ich das in der auch für meine Eltern neuen Schule hinbekomme. Latein sollte ich eher lassen, lieber Englisch wählen – das brauche man im Leben eher. Mit der Vorgabe habe ich das dann auch hinbekommen. 1987 war das Abi in der Tasche. Neben Mathe hatte ich Sozialwissenschaften als Leistungskurs und da einen richtig guten Lehrer, der mein Interesse für Politik weckte.
Ich bin noch heute sehr dankbar als Erster der Familie Abitur gemacht haben zu können. Das klappt, wenn gute Leute zum richtigen Zeitpunkt in die richtige Richtung zeigen. Viele, denen es ähnlich ging, können das heute nachvollziehen und sind zurecht stolz, dass sie es geschafft haben.
Im internationalen Vergleich stehen wir schlecht da, wenn es um die Bildungschancen geht. Zu oft bleiben Akademiker unter sich, zu häufig ist der Geburtsort eines Kindes entscheidend, zu selten zählen Talent, Teamgeist und Fleiß. Das möchte ich in Nordrhein-Westfalen ändern.
Eins ist dabei aber auch klar: Das Abitur ist nicht alles. Die meisten Menschen, die unsere Gesellschaft täglich am Laufen halten, kommen gut ohne aus und haben den gleichen Respekt verdient. Bildung ohne Augenhöhe ist für mich keine. Wir alle können täglich voneinander lernen.